9. Oldenburger Zeichenfestival

2023

ZEICHNUNG & ZOMBIES

VOM ANDERSSEIN

Bereits zum neunten Mal hat das preisgekrönte Oldenburger Zeichenfestival ausgezeichnet! im Herbst 2023 zum gemeinsamen Zeichnen, Nachdenken und Diskutieren eingeladen. Mit ZOMBIES. VOM ANDERSSEIN“ ging das Zeichenfestival ein ungewöhnliches und unbequemes und damit umso wichtigeres Thema an: Die Frage nach der Fragilität des Zusammenhalts unserer Gesellschaft, der Toleranz nach den Außenseitern und all jenen, die unser Leben nicht teilen können oder wollen. Wichtiger Schwerpunkt des Festivals waren partizipatorische Kunstprojekte, die verstärkt auf eine wirksame Präsenz im öffentlichen Stadtraum zielten.

Dokumentationen des 9. Oldenburger Zeichenfestivals

Das 9. Oldenburger Zeichenfestival „Zeichnung und Zombies – Vom Anderssein“ greift das anspruchsvolle Thema mit einer Reihe von öffentlich-partizipativen Zeichenaktionen, künstlerischen Interventionen und Workshops auf.

Workshops
11.09.2023 — 15.09.2023

„Stadtführer der „Hässlichkeiten““ – ein Workshop von Mone Seidel mit Jugendlichen der Liebfrauenschule

„Zombiemetamorphose“ – ein Workshop von Susan Helen Miller mit Jugendlichen der Liebfrauenschule

„ZOMBIEFIKATION oder die Angst, versklavt zu werden“ – ein Workshop von Paula Penelope Steiner mit Jugendlichen der IGS Flötenteich

„Wann ich wie anders bin“ – ein Workshop von Jeff Hemmer mit Jugendlichen der IGS Flötenteich

„Zombie-Tableaus“ – ein Workshop von Stephane Leonard mit Jugendlichen der OBS Alexanderstraße

„Zombie Modus – sie sind unter uns!“ – ein Workshop von Marcel Kreuzer mit Jugendlichen der OBS Ofenerdiek

Künstlerische Interventionen im Stadtraum

04.09. – 29.09.2023

„Im Schatten“ von Georg Lisek, zusammen mit Schüler*innen der OBS Alexanderstraße, der OBS Osternburg und der Liebfrauenschule

„Die Anderen“ von Lars Unger

„She´ll come back as fire“ von M05K

„Auf der anderen Seite“ von Olga Grigorjewa

„Berührungssuche“ von Jasmin Speckmann

„WEIT WEG“ von Sophia Speer

Weitere Zeichenaktionen
04.09. – 29.09.2023

„Ein- und Ausgeschlossen“ – Eine Zeichenaktion von Georg Lisek mit jungen Inhaftierten in Kooperation mit der Justizvollzugsanstalt Vechta

„Die Dinge, die ich brauche“ – Eine Zeichenaktion von Georg Lisek mit Menschen mit Obdachlosigkeitserfahrung in Kooperation mit der Bahnhofsmission Oldenburg

„FREAKS – Die Liga der Außergewöhnlichen“ – eine Zeichenaktion von Georg Lisek mit Schüler*innen der OBS Alexanderstraße, der OBS Osternburg, der OBS Ofenerdiek, der IGS Flötenteich und der Liebfrauenschule, sowie von jungen Inhaftierten der Justizvollzugsanstalt Vechta

Wir alle leben in einer Gesellschaft. Dabei teilt sich unsere Gesellschaft in viele Splittergruppen auf. Wir alle haben unterschiedliche Vorstellungen von der richtigen Art zu Leben, vom Wert des Lebens, oder vom Ziel des Lebens. Wie geht das zusammen?
Nicht erst mit aktuellen Ereignissen wird von einer Spaltung der Gesellschaft gesprochen. Schon immer gibt es pauschale Unterscheidungen, um sich von den „Anderen“ abzugrenzen: Arm und Reich, Arbeitnehmer vs. Arbeitgeber, „Die da oben und die da unten“, Rechtsextreme gegen Linksextreme und dazwischen die Mitte, die Coolen und die Außenseiter, die Befehlenden und das Fußvolk, Schuldige und Unschuldige, die Täter und die Opfer, die Guten und die Bösen.
Eine stabile Gesellschaft schafft es, diese Unterschiedlichkeiten zu vereinen und Konflikte zwischen den Parteien zu lösen, oder wie wir auch an anderer Stelle beobachten können: zu unterdrücken. In letzter Zeit scheinen diese Konflikte stärker zu werden. Mit dem Aufkommen von Pegida, den Querdenkern, den Reichsbürgern, diversen Neonazibewegungen und anderen offen verfassungs- oder demokratiefeindlichen Gruppierungen wird klar: Wir sind weit davon entfernt, Eins zu sein. Corona verstärkte das schon allein dadurch, dass es nicht nur einmal mehr Geimpfte und Impfgegner gibt, sondern auch die, die sich draußen frei bewegen dürfen, und die, die unter Quarantäne sind. Schon an der Art, eine Maske zu tragen, erkennt man mittlerweile die Gesinnung, und damit, ob man zum selben Schlag gehört. Mit dem kommenden Winter wird unsere Gesellschaft ein weiteres Mal auf die Probe gestellt, wenn womöglich hohe Preise den Unterschied zwischen Frierenden und Gewärmten machen.
Wir nehmen unsere Zeit, die sich ein wenig nach Apokalypse anfühlt, zum Anlass, nach „den Anderen“ zu fragen, nämlich nach denen, die wir komisch finden, mit denen wir aneinandergeraten, die wir fürchten und die wir missverstehen: Zombies.
Es geht im 9. Zeichenfestival 2023 „Zeichnung und Zombies“ inhaltlich um Leben, das an unserem Leben nicht teilhaben kann oder will. Um die Ausgeschlossenen, die Willenlosen, die Außenseiter. Die vermeintlich Hässlichen und Aussätzigen. Die Komatösen und Dementen. Die Übergriffigen und Besserwissenden.
Die Botoxgespritzen und die Schönheitsoperierten. Die Junkies und die Partypeople. Die Gefängnisinsassen und die High Society. Die Wahnsinnigen, die Verschwörer, die Aussteiger und Erleuchteten, nach deren Meinung wir die Zombies sind.
So sind die Fragen die im Rahmen des Zeichenfestivals gestellt werden: Wie mit Wesen leben, die nicht mit uns leben?
Separieren sich die Menschen? Wer hat wie viele Kontakte? Und wenn nein, warum nicht? Welche Rolle spielt die zunehmende Digitalisierung? In welcher Welt leben die „Anderen“ eigentlich? Wie stellen wir uns Zwischenwelten vor?
Wie mit „Zombies“ kommunizieren? Welche Sprache und welches Handeln ist korrekt?
Wer ist hier überhaupt der „Zombie“? Ist es nicht eine Frage der Perspektive? Wie nehme ich die „Anderen“ wahr? Wie würde ich mich durch die Augen der „Anderen“  wahrnehmen?

Und welches Urteil erlauben wir uns eigentlich, wenn wir einen  anderen Menschen „Zombie“ oder „Freak“ nennen?
„Zombie“ ist eine Bezeichnung für alle jene Existenzen, welche von  den Lebenden verachtet und verworfen werden.
Inwiefern generiert sogar unsere Gesellschaft diese „Zombies“? Menschen, die stundenlang vor den Displays ihrer Smartphones krümmen, werden umgangssprachlich Smombies genannt. Menschen, die stumpfsinnige Tätigkeiten für den Broterwerb verrichten, können mitunter auch in zombieähnliche Zustände verfallen – und womöglich braucht es solche Menschen sogar, damit unser Wirtschaftssystem und unsere Gesellschaft funktioniert?
Zombies sind Teil dystopischer Fantasien. Wieviel ist davon Wirklichkeit? „Zombies“ gelten schließlich auch als Metapher für ein angepasstes Dahinvegetieren, unterwürfigen und kritiklosen Gehorsam, passiven Konsum und Desinteresse. Mal ehrlich: Wieviel „Zombie“ steckt in uns? Außerdem sind Zombies ewig rastlos und scheinen unausgefüllt. Sie haben kein Zuhause, keine Heimat. Haben wir Nicht-Zombies das? Oder sind wir nicht ebenso auf der Suche nach einer Art Erfüllung – nur etwas weniger blutrünstig?
Der Abgleich mit dem Phänomen Zombie bringt Wahrheiten über uns, die nicht Zombie sein wollen, ans Licht.

ausgezeichnet! wurde von der Oldenburger Kunstschule e.V. erstmals 2007 als Festivalformat entwickelt, um die Vielfalt, die Spielräume, und die Diskurse zeitgenössischer Zeichnung für Jugendliche und junge Menschen zu öffnen – auch jenen, die wenig Zugang zu Bildung haben.

Die Konzepte der vorausgegangenen Zeichenfestivals, von Zeichnung in Zeiten Neuer Medien (2007), Zeichnung zwischen Kunst und Wissenschaft (2009), Zeichnung und Musik (2011) und Zeichnung erzählt (2013), konzentrierten sich auf die Zeichnung als Objekt und Medium in der Wechselwirkung mit anderen zeitgenössischen Medien. Mit Zeichnung erzählt (2013) und dem Wechsel der Festivalleitung wurde eine Verschiebung des Festival-Schwerpunkts auf den Akt des „Zeichnens“ selber sichtbar. schwarm-zeichen (2015) würdigte mit der Prämisse „Zeichnen als kommunikatives Medium und Mittel zur kollektiven künstlerischen Interaktion“ die „Alltagsintelligenz“ des zeichnenden Akts und erreichte auch dank des partizipatorischen Aufrufs zur Suche nach der „Oldenburger Fliege“ mehr als 1500 Menschen. Das Festival ausgezeichnet! bewegt! (2017) setzte die Bewegung im physischen wie im geistigen Sinne als essentielle Notwendigkeit und als motivatorischer Anlass der zeichnerischen Tätigkeit. Zeichnung und Vision (2019) schließlich markierte programmatisch die Beschäftigung mit der Frage „Wie wollen wir leben?“ und damit eine Konzentration auf gesellschafts- und stadtrelevante Themen, die im Dialog mit den Bürger*innen Oldenburgs verhandelt wurden.

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Justizvollzugsanstalt Vechta